Mythos 8: Wer mich liebt, verletzt mich nicht
Das klingt so selbstverständlich und logisch, dass wir es kaum in Frage stellen: Wenn wir jemanden lieben, dann verletzen wir ihn auch nicht. Warum sollten wir auch, wo wir diesen Menschen doch lieben?
Tatsächlich wird genau andersrum ein Schuh daraus: Gerade wer liebt, hat die besten Möglichkeiten zu verletzen beziehungsweise verletzt zu werden. Wenn uns jemand etwas bedeutet, hat er die Macht uns zu verletzen.
Woher kommt das?
Liebe macht verletzlich
Wenn wir einen Menschen lieben, werden wir automatisch verletzlich. Das hat mehrere Gründe.
Grund Nummer 1 ist leicht erklärt. Jeder Mensch hat Bedürfnisse. Zwei Menschen haben selten die exakt gleichen Bedürfnisse, und falls doch, dann selten zur gleichen Zeit. Menschen in Paarbeziehungen müssen sich ständig entscheiden, wesen Bedürfnis sie erfüllen: das eigene oder das des Partners.
Willkommen im Dilemma
Erfülle ich mein Bedürfnis, verletzt das meinen Partner. Erfülle ich das meines Partners, bleibt meines unerfüllt. Und das kann wiederum mich verletzen. Ein Dilemma.
Ein Dilemma, dem viele Menschen entkommen wollen, indem sie sich darauf besinnen, dass sie ihren Partner ja lieben.
Und genau da kommt Grund Nummer 2 ins Spiel.
Warum wir unser Herz öffnen
Um Liebe zu empfinden, müssen wir unser Herz öffnen. Wir müssen berührbar sein. Ob das äußerlich wahrnehmbar ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, was emotional, also in uns vorgeht.
Diese Berührbarkeit ermöglicht es uns, Mitgefühl, Zuneigung und eben auch Liebe zu empfinden.
Berührbarkeit ist nicht selektiv
Das ist schön, aber es kostet auch etwas: Berührbarkeit ist nicht selektiv. Wir können nicht darüber entscheiden, wovon wir uns berühren lassen und wovon nicht. Etwa so: „Ab sofort öffne ich mein Herz für Liebe, aber verletzen lasse ich mich nicht.“
Netter Versuch, aber leider funktioniert das nicht. Entweder mein Herz ist offen oder eben nicht.
Im Idealfall haben wir also zwei Menschen, die ihr Herz offenhalten. Warum verletzen sie sich dann?
Wir lernen dem Umgang mit Schmerz nicht
Das hat damit zu tun, dass wir uns nicht gerne verletzen lassen und in der Regel nicht gelernt haben, wie man erwachsen mit dem Schmerz einer Verletzung umgeht.
Anstatt den Schmerz zu spüren und ihn unserem Partner mitzuteilen, reagieren wir gewohnheitsbedingt so, wie wir das gelernt haben: Wir schlagen zurück und verletzen unseren Partner.
Wie im Sandkasten
Damit folgen wir exakt dem gleichen Verhaltensmuster von Kindern, die sich im Sandkasten mit ihren Spielzeugschaufeln schlagen und übrigens auch dem von Regierungen, die Vergeltungsmaßnahmen anordnen.
Wir wissen alle, wozu das führt. Zu nichts Gutem.
Bedeutung macht verletzlich
Grund Nummer 3 hat damit zu tun, dass uns Menschen, die wir lieben, mehr bedeuten als andere.
In der Folge geben wir auch allem, was sie tun und sagen, mehr Bedeutung. Wir legen Worte auf die Goldwaage.
Im Eifer des Gefechts
Das passiert gerade auch, wenn wir streiten und emotional unter Stress geraten. Ein Wort gibt dann das andere, und obwohl wir wissen, dass im Eifer des Gefechts oft wild um sich geschossen wird, geben wir den Worten mitunter mehr Bedeutung als sie es verdient hätten.
Deshalb können uns Menschen, die wir lieben, leichter verletzen als andere.
Und: Wir verletzen Menschen, die wir lieben, leichter als andere.
Die Punkte treffen
Menschen, die uns nichts bedeuten, haben längst nicht so viel Macht darüber, dass sie unsere verletzlichen Punkte treffen. Wenn sie uns egal sind, kann uns auch egal sein, was sie denken oder sagen. Es hat dann kaum Bedeutung für uns.
Wie Beziehung tatsächlich funktioniert, erfährst Du hier.