Sich Wertschätzen und damit glücklich machen
Wertschätzung ist das, worum es wirklich geht. Bei unzähligen Paaren steht es nach am Ende der Suche nach des Pudels Kern. Wenn der jahrelang aufgehäufte Trümmerhaufen aus Vorwürfen, Verletzungen und Enttäuschungen beiseite geräumt ist, taucht auf dem Grunde der Beziehung die eine große Sehnsucht auf: „Ich will doch nur, dass du mich so anerkennst, wie ich bin.“
Ein menschliches Grundbedürfnis
Wertschätzung (oder auch Anerkennung) ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen. Wir wollen so gesehen werden, wie wir sind, damit wir die Erlaubnis bekommen, so sein zu dürfen, wie wir sind. Zwei Umstände machen diese Erkenntnis ebenso interessant wie pikant. Erstens: Beide Partner in einer Beziehung wollen das gleiche. Zweitens: Wir wollen von unserem Partner ausgerechnet das, was wir weder ihm noch uns selbst geben: Akzeptanz.
Hier wird es zugebenermaßen ein wenig kompliziert. Dabei ist die Sache in der Theorie ganz einfach. Vor allem Punkt eins. Beide Partner wollen das gleiche: Er will, dass sie ihn anerkennt und wertschätzt, sie will, dass er sie anerkennt und wertschätzt. Weil er aber nicht bekommt, wonach er sich sehnt, verweigert er seiner Partnerin das, was sie so sehr möchte. Und solange sie es nicht von ihm bekommt, ist sie nicht bereit zu geben, was er sich so sehr wünscht. Dieses Spiel können beide spielen, bis der Tod – oder eben eine Trennung – sie scheidet.
Es gibt einen Ausweg aus dem Spiel
Die gute Nachricht ist: es gibt einen Ausweg. Beide können das Spiel beenden. Allerdings nur, wenn zumindest einer mutig genug ist, aus dem Drama auszusteigen. An diesem Übergang von leichter Theorie zu schwieriger Praxis kommt menschliche Größe ins Spiel: Wer bereit ist, das zu geben, was ihm selbst versagt bleibt, setzt einen Prozess in Gang, der unweigerlich zum Ende des Dauer-Dramas führt. Er oder sie trägt von nun an dazu bei, den dauerhaften Anerkennungsmangel des anderen zu beenden. Er oder sie nimmt dem Partner den Hauptgrund für die ständige Verweigerung: den eigenen Mangel an Anerkennung.
Es kann eine Weile dauern, bis sich die Wirkung zeigt. Geduld ist gefragt, vor allem, weil der eigene Mangel ja immer noch andauert. Das hat mit Punkt zwei zu tun: Wir wollen haben, was wir uns selbst versagen. Die traurige Wahrheit ist, dass kaum jemand in der Lage ist, auf Anerkennung und Wertschätzung zu verzichten. Warum? Weil wir als Kinder nicht genügend davon bekommen haben.
Dein Partner kann dir nichts geben, was Du nicht hast
Es ist erstaunlich, wie viele Menschen in Paargesprächen erkennen, dass sie sich im Grunde immer noch nach der Wertschätzung und Anerkennung ihrer Eltern sehnen. Nur sehr, sehr wenige Menschen werden so geführt und gefördert, dass sie ein wahrhaftiges, stabiles Selbstbewusstsein kultivieren können. Wir wollen die Wertschätzung unseres Partners, weil wir selbst nicht genug für uns selbst haben. Es ist, als würden wir versuchen, mit unserem Partner ein Loch in uns selbst zu stopfen
Tatsächlich sind wirklich erwachsene Menschen unabhängig davon, was die Außenwelt – und damit auch der Partner – von ihnen denkt. Sie haben genügend Bewusstsein für sich, ihre Stärken und Schwächen und können sich selbst dafür wertschätzen. Das mag wie eine theoretische Utopie klingen, ist aber tatsächlich ein erreichbares Ziel, oder besser ein Weg, der aus der kindlichen Bedürftigkeit führt. Er erfordert viel Arbeit am Selbst-Bewusstsein und ist beileibe nicht frei von Rückschlägen, aber die Mühe lohnt sich. Und: Die Anerkennung und Wertschätzung durch unseren Partner kann dabei durchaus unterstützend wirken. Aber eben nur, wenn wir unser Spiel durchschaut haben und damit aufhören, uns über unseren eigenen Mangel an Wertschätzung hinwegzutäuschen.
Es gibt immer einen Grund, Danke zu sagen
Es könnte also ganz einfach sein. Ein kleines „Danke“ hier und da lässt unseren Partner strahlen. Aber wir vergessen oder verweigern es einfach. Ganz mechanisch schauen wir auf die Dinge, die uns nerven und nicht gefallen und vergessen, das anzuerkennen und wertzuschätzen, was wir haben und was uns gefällt. Das eine schließt das andere übrigens nicht aus. Die Frage ist: Worauf richte ich meinen Fokus. Es gibt immer – wirklich immer – irgendetwas, das wir anerkennen können. Seien es die schönen blauen Augen, der knackige Hintern, das saubere Bad, das leckere Essen oder das monatliche Einkommen, das die Miete sichert.
Ist es für einen Mann, der jeden Tag hart arbeitet, um genug Geld zu verdienen, nicht absolut frustrierend, wenn er abends heimkommt und Frau sich erst einmal beschwert, dass er immer so lange arbeitet? Und ist es nicht geradezu vernichtend, wenn Frau liebevoll das Essen zubereitet hat, die Familie aber nur schweigend am Tisch sitzt und alles in sich hinein schaufelt? Wenn überhaupt noch gemeinsam bei Tisch gegessen wird und nicht jeder einfach den Teller mit vor die Glotze nimmt.
Dein Partner ist ein halbvolles Glas
Es sind die kleinen „Dankes“, in denen sich die Anerkennung und Wertschätzung für unseren Partner zeigen. Vor allem all der Dank für die Dinge, die mit der Zeit so selbstverständlich werden. „Danke, dass du gekocht hast. Danke, dass Du das Auto vollgetankt hast. Danke, dass du eingekauft hast. Danke, dass du einen tollen Nachmittag mit den Kindern verbracht hast. Danke, Danke, Danke.
Mit diesem kleinen Wort bringen wir Liebe in unsere Beziehung. Wir sehen den Partner in dem, was er tut und in dem, was er ist. Keine Beziehung, kein Mensch ist vollkommen und perfekt. Es gibt keine vollen Gläser. Aber wir können entscheiden, ob unser Glas halb leer oder halb voll ist. Das heißt nicht, dass wir das, was uns am Verhalten unseres Partners nicht gefällt, nicht mehr mitteilen oder ansprechen. Es geht nicht darum, harmonisches Friede-Freude-Eierkuchen-Dasein vorzugaukeln und den Müll unter den Teppich zu kehren. Es geht darum, dass wir beides sehen. Das, was nicht funktioniert und das, was funktioniert. Letzteres vergessen wir allerdings nur allzu leicht.
Den anderen anzuerkennen und wertzuschätzen ist eine grundlegende Haltung, die wir in unseren Beziehungen leben können. Und es ist erstaunlich, was wir damit erreichen können.
Mehr zum Thema Wertschätzung - vor allem mit Blick auf Kinder - gibt es auf der Seite "Stark auch ohne Muckis"
2 Gedanken zu „Wertschätzung“
Lieber Mathias, liebe Dee, ein sehr schöner Artikel – vielen Dank dafür. Interessiert vielleicht auch die facebook-Gemeinde oder darüber hinaus?
Herzlicher Gruß
Lieber Thomas, vielen Dank. Du müsstest den Artikel auch auf unserer facebook Seite finden. Wenn Du magst, kannst Du ihn von dort aus teilen, damit er eine höhere Reichtweite erzielt.
Bis ganz bald
Liebe Grüße
Dee
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