Akzeptanz

Akzeptanz braucht Hingabe

Akzeptanz ist unsere größte Sehnsucht: So zu akzeptiert und damit geliebt zu werden wie wir wirklich sind. Akzeptanz ist aber gar nicht zu einfach: Sie fängt da an, wo die Zustimmung und das Verstehen aufhört. Für Akzeptanz müssen wir unser Recht haben aufgeben und dazu braucht es eine Qualität , die in unsere modernen Gesellschaft fast schon ein Unwort ist: Hingabe.

Hingabe hat nichts mit Selbstaufgabe zu tun

Zuhören, Verzeihen, Entschuldigen, Mitteilen, Anerkennen und jetzt auch noch Hingabe – geht’s noch? Wollen wir das wirklich? Wer von uns hat sein Leben einer Idee, einem Wert oder gar dem Glück eines anderen Menschen gewidmet? Eben. Unsere westliche Kultur gibt nicht mehr viel auf Hingabe. Wir sind anders orientiert. Uns geht es um materiellen Wohlstand, um Selbstverwirklichung, um unsere Individualität. Mit Hingabe haben wir nichts am Hut, sie erscheint uns gefährlich nah an der Selbstaufgabe. Und darin liegt unser Problem. Wir verwechseln Hingeben mit Aufgeben und erkennen nicht den Unterschied. Hingabe setzt eine – zumeist bewusste - Entscheidung für etwas voraus. Mütter entscheiden sich oft dafür, ihr Wohl dem ihres Kindes unterzuordnen. Das ist ein natürlicher Vorgang, der erstens Sinn ergibt und zweitens Frauen einen leichteren Zugang zur Hingabe ermöglicht als Männern.

Erwachsene Menschen, die sich ihrer Größe und ihres Wertes bewusst sind, haben kein Problem damit, sich einer Sache oder auch einem anderen Menschen hinzugeben. Aber: Niemand kann sich hingeben, solange er sich seiner selbst nicht bewusst ist. In dieser Position ist die Angst davor, sich selbst und die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren, einfach zu übermächtig. Wer dort steht, kann den Unterschied zwischen Hingabe und Selbstaufgabe nicht erkennen und damit auch nicht den Unterschied zwischen Akzeptanz und Zustimmung.

Akzeptanz erfordert Selbstbewusstsein

Das können in der Tat nur erwachsene Menschen. Der Begriff „erwachsen“ hat in diesem Kontext nichts mit der Anzahl unserer Lebensjahre zu tun. Wir definieren ihn anders. Erwachsen zu sein bedeutet, ich bin ein Mensch, der im Hier und Jetzt lebt und seine Entscheidungen auf der Basis dessen fällt, was im Hier und Jetzt geschieht; nicht aufgrund dessen, was er in der Vergangenheit erleiden musste.  Ein Erwachsener hat keine Angst, sich zu verlieren, wenn er sich hingibt, weil er um sich und seine Qualitäten weiß. Ihm ist klar, dass Hingabe keine Einbahnstraße ist, auch wenn es oft genau so aussieht. Ein Erwachsener weiß, dass er im Survival - dem unbewussten  Überlebenskampf darum, im ganz normalen Alltag nicht zu kurz zu kommen -  weder Glück noch Erfüllung findet. Er weiß, dass ihm Geben mehr gibt als Haben.

Es zeigt sich in kleinen Dingen

Akzeptanz und Hingabe sind die Königsdisziplin in Beziehungen.Zugegeben: Hingabe ist ein großes Wort und passt so ganz und gar nicht in unsere Zeit der Selbstverwirklichung, in der jede und jeder stark und autark sein will. Hingabe ist ein zutiefst weibliches Prinzip. Sie zeigt sich auch in den kleinen Dingen. Ein Beispiel: Wir bekamen eine neue Spülmaschine. Eine von der Art, in der man das Besteck in die oberste flache Schublade legt. Prompt war Matthias der Ansicht, es wäre sinnvoll, Messer, Gabel, Löffel bereits beim Beladen der Spülmaschine zu ordnen, dann könne man beim Ausräumen alles mit einem Griff in die Schublade räumen. Dee war ganz anderer Meinung. Für sie war es weitaus leichter (schneller und effektiver), das Besteck erst beim Einräumen in die Schublade zu sortieren.

Und so begann im Hause Stolla der Kampf ums Recht haben. Bis sich Dee irgendwann hingegeben hat. Sprich: Sie findet es zwar immer noch sinnvoller, das Besteck erst beim Einräumen zu sortieren, aber wenn es Matthias nun mal wichtig ist, bliebt die Frage: Recht haben oder Hingabe? Hingabe bedeutet: Ich stelle mich zur Verfügung. Ich diene dem anderen mit etwas, egal ob es mir sinnvoll erscheint oder nicht.

Die gute alte Geschirrspülmaschine

Hingabe ist immer eine Entscheidung im Moment. Vor allem Frauen haben Angst davor, sich völlig aufzugeben, sich im Nachgeben zu verlieren. Tatsächlich ist es so, dass es für Hingabe innere Größe braucht. Sich hinzugeben bedeutet etwas zu opfern. In Beziehungen opfern wir zunächst einfach mal unsere Meinung. Das heißt nicht, dass wir uns  immer anpassen müssen, immer unsere Meinung zurückstellen. Aber es heißt, wir können stets überprüfen, was uns wichtiger ist: An unserer Meinung festzuhalten, oder dem anderen etwas Gutes tun. Zurück zur Spülmaschine: Dee ist immer noch der Meinung, dass ihre Methode die bessere wäre. (Sie hat also ihre Meinung nicht aufgegeben), aber Matthias ist glücklich, wenn das Besteck geordnet eingeräumt wird. Und das ist Dee in diesem Moment einfach wichtiger als Recht zu haben.

Es sind die kleinen Dinge, die uns dieses Liebesmittel näherbringen. Vor allem beim Sex, ist es die größte Sehnsucht des Mannes, dass wir Frauen uns völlig hingeben. Auch hier gilt: Wir leben eben nicht in der Welt von Shades of Grey, wo sich die weibliche Hauptfigur des Romans als Sub ihrem herrischen Dom nahezu bedingungslos hingibt. Aber wir können üben, uns einzulassen, uns hinzugeben, unsere Erfahrungen damit machen, was uns gefällt und was nicht.

Hingabe ist ein zutiefst weibliches Prinzip

Und nur für alle Frauen, die sich beim Lesen die Frage stellen, wann sich denn bitteschön ihr Mann endlich einmal hingeben muss: Die schlechte Nachricht: Es liegt nicht in der männlichen Natur, sich hinzugeben. Genauso wenig wie das Dienen. Die gute Nachricht: Wenn die Frauen Hingabe vorleben, kann Übertragung stattfinden, und die Männer können dieses weibliche Prinzip Schritt für Schritt in ihr Leben integrieren.