Verzeihen

 Verzeihen lernen und weiterlieben

h ja, bei der weiblichen Leserschaft klingeln jetzt die Alarmglocken Sturm. Verzeihen scheint vielen Frauen ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Irgendwie verbinden wir mit dem Verzeihen, dass wir gleichzeitig gutheißen, was geschehen ist. Aber das tun wir nicht. Wir reden hier auch nicht vom allumfassenden, nahezu göttlichen, Verzeihen, sondern von den kleinen Dingen des Alltags. An ihnen können wir Schritt für Schritt lernen zu verzeihen. Laut Duden bedeutet verzeihen: „erlittenes Unrecht den Urheber nicht entgelten lassen, nicht grollend, strafend usw. darauf reagieren…“

Mit Kleinigkeiten zu beginnen

Verzeihen beginnt in kleinen Dingen und machen die Beziehung glücklich. Paartrainer Daniela und Matthias Stolla.

Die gute Nachricht daran: Erlittenes Unrecht bleibt erlittenes Unrecht, ob wir nun verzeihen oder nicht. Daraus folgt: Verzeihen bedeutet, dass wir das, was wir verzeihen, auch weiterhin als Unrecht sehen können. Es bedeutet aber auch, dass wir uns nicht rächen, den andern bestrafen oder ihm grollen. Und das ist oft schwer genug.
Es ist wichtig, mit Kleinigkeiten zu beginnen. Es ist nun mal unvermeidlich in Beziehungen,  dass man sich gegenseitig verletzt. Zumindest dann, wenn wir mit einem Menschen und nicht mit einem Heiligen zusammen sind. Also üben wir uns und verzeihen kleine, alltägliche Verletzungen. Unser Mann hat vergessen, dass er heute pünktlich Zuhause sein muss, damit wir zu unserem Sport gehen können. Entscheiden wir uns zu verzeihen? Unsere Frau hat unser Lieblingshemd nicht gebügelt, obwohl wir extra darum gebeten haben. Entscheiden wir uns zu verzeihen?

Wer Verzeiht gönnt sich inneren Frieden

Verzeihen heißt manchmal auch in die Knie gehen und kann die Beziehung retten. Die Paartrainer Dee und Matthias StollaTatsächlich ist Nicht Verzeihen wollen eine Form von Gewalt. Sie muss nicht physisch erfolgen, und sie richtet sich nicht nur gegen den, der uns Unrecht angetan hat. Wenn wir nicht verzeihen wollen, halten wir an Vorwürfen fest. Die zielen zwar auf den vermeintlichen Übeltäter, aber unsere Haltung hat auch Auswirkung auf uns selbst. Wir halten uns in einem dauerhaften Zustand des Unfriedens und machen uns zum Opfer. Wir zeigen mit dem Finger auf den anderen und lenken damit von unserer Verantwortung ab. Das ist bequem und erspart uns den schwierigen Akt, Verantwortung für uns selbst zu übernehmen. Zur Ruhe kommen wir damit allerdings nicht. Möglicherweise entscheiden sich Staatsmänner gerade deshalb lieber fürs Nicht verzeihen als fürs Verzeihen. Das ist sehr schade, denn Ttatsächlich strafen wir uns damit vor allem selbst. Wer dagegen verzeiht, gönnt sich selbst inneren Frieden.

Männer haken Dinge schneller ab

Männer haben es mit dem Verzeihen auf den ersten Blick einfacher als Frauen. Sie gelten als weniger nachtragend. Das hat einen simplen Grund. Das männliche Prinzip orientiert sich mehr am Tun als am Sein. Männer sind natürlich dennoch verletzlich, manche behaupten sogar, sie seien deutlich verletzlicher als Frauen. Aber Männer vergessen auch leichter, weil sie relativ schnell wieder zur Tagesordnung übergehen: zu dem, was als nächstes zu tun ist. Es sind seltener die Männer, die ihren Partnerinnen nach 15 Jahren erlittenes Unrecht zum Vorwurf machen als die Frauen (und ja, es gibt Ausnahmen auf beiden Seiten).
Aber die Sache hat auch einen Haken. Männer vergessen zwar schneller, aber das bedeutet nicht, dass Geschehenes ungeschehen wird, sondern vielmehr, dass wir keine bewusste Erinnerung daran haben, was geschehen ist. Ähnlich wie bei einer Computerdatei, die wir löschen. Sie landet im Papierkorb und kann fortan nicht mehr aufgerufen werden. Aber sie ist noch da. Auf ganz ähnliche Art landet Vergessenes – ebenso wie Verdrängtes - im Papierkorb unseres Bewusstseins: im Unterbewusstsein. Und dort hat Vergessenes – im Unterschied zur gelöschten Datei im Papierkorb unseres Computers - Heimvorteil. Es kann fortan auf uns einwirken, ohne dass wir es bemerken. Unbewusst eben. Männer wissen dann zwar nicht mehr, aus welchem Anlass sie zu ihrer Partnerin auf Distanz gehen, oder warum sie gerade besonders mürrisch reagieren, aber sie tun es dennoch. Das ist zwar anders als nachtragendes Nörgeln über etwas, das uns sehr wohl bewusst ist, aber besser ist es nicht.

Verzeihen darf gelernt werden

Verzeihen bedeutet, dass wir aufhören, unserem Partner ständig seine Schwächen unter die Nase zu reiben. Wenn er oder sie zur Unpünktlichkeit oder Unordnung neigt, bedeutet verzeihendas nicht, dass das in Ordnung ist und auch nicht, dass wir das gut finden müssen. Aber wir können unseren Partnern diese Unzulänglichkeiten verzeihen. Wir hören auf, ständig auf seinen Schwächen herum zu trampeln. Stattdessen geben wir ihnen ein Geschenk: Wir sind bereit, zu akzeptieren und nehmen die Stärken unseres Partners in den Fokus: das, was uns an ihm gefällt und wofür wir ihn schätzen.
Wichtig ist auch, die alten, angesammelten Verletzungen nach und nach zu verzeihen. Das gibt uns die Möglichkeit für einen Reset, einen Neubeginn in der Partnerschaft.
Wenn wir nicht in der Lage sind, etwas zu verzeihen, weil wir einfach noch nicht so weit sind, dann ist es zumindest sinnvoll, mit unserem Partner darüber zu sprechen und in dieser Kommunikation zum Ausdruck zu bringen, dass wir lernen wollen zu verzeihen. Das ist der Anfang.
Verzeihen ist nichts, das wir mal eben so tun können. Aber es ist etwas, das wir lernen können, wenn wir bereit sind, zu trainieren. Auch dafür haben wir unseren Partner an unserer Seite.