Stetes Jammern höhlt die Liebe
Jammern ist eher in der weiblichen Fraktion beliebt. Es ist der Ausdruck einer permanenten Unzufriedenheit, die nicht klar kommuniziert wird, sondern in Form von in sich hinein gemurmelten, mehr oder weniger jämmerlich klingenden Wortfetzen auftaucht. Etwa wenn sich die Frau Richtung Spülmaschine dreht und vor sich hin nörgelt „Nicht mal seinen Teller kann er selbst in die Spülmaschine räumen, dabei mache ich immer alles…“ Jammern ist auch eng verwandt mit dem Nörgeln.
Beide haben einen quengeligen Unterton. Es gibt nichts Schöneres für einen Mann, als nach einem harten Arbeitstag nach Hause zu kommen und zu hören wie seine Frau gleich loslegt: „Heute war so ein schrecklicher Tag, die Kinder waren die ganze Zeit schlecht drauf, und der Chef wollte mich nicht rechtzeitig gehen lassen, und überhaupt ist mir hier alles zu viel, und alles bleibt immer nur an mir hängen...“ Willkommen Zuhause.
Bei Männern nennen wir es "motzen"
Männer nörgeln und jammern in der Regel nicht so häufig, aber ihr „Motzen“ fällt in die gleiche Kategorie. Da hat man als gute Ehefrau die Wohnung in Schuss gebracht und hört zur Begrüßung: „Wieso steht denn die Garagentür schon wieder auf, wie oft muss ich denn noch sagen, dass…“ Der gleiche brillante Empfang mit Wohlfühl-Effekt.
Menschen, die gerne das Kampfmittel Nörgeln/Jammern/Motzen benutzen sind im Psychodrama dem sognannten Opfer zugeordnet. Alles ist ihnen zu viel, keiner kümmert sich um sie, und sie sind überzeugt, dass niemand auf der ganzen Welt so schlecht behandelt wird wie sie. Erkannt? Jeder von uns hat diesen Jammerer oder Nörgler in irgendeiner Form in sich. Hier geht es nicht darum, sich schlecht zu fühlen, sondern nur sich kennenzulernen. Meckern und Jammern kann auf Dauer sehr zermürben, egal, von welcher Seite es kommt. Es erschafft eine schwere und drückende Stimmung und sorgt ganz sicher nicht dafür, dass man sich auf den ewig jammernden Partner freut.
Ständiges Wiederholen gibt die besondere Würze
Für das Opfer hingegen kann sich Jammern toll anfühlen. Beides verschafft uns Luft, befreit uns von Frust, Leid und Ungerechtigkeit. Es wirkt. Nur eben nicht sehr lange. Und dagegen hilft nur eines: ständiges Wiederholen.
Einmal Jammern reicht nicht. Erst Dauerfeuer macht aus einem Amateur einen Profi-Nörgler. „Du könntest deine Zigarettenkippen auch mal wegräumen.“ Es braucht Beständigkeit beim Jammern, sonst wirkt es nicht. Unser Gegner muss unter ständigem Beschuss zermürbt werden. Wir halten solange drauf, bis wir gewinnen, bis er einsieht, dass er sein Verhalten ändern muss. Dann wird alles gut. Jammerer und Nörgler glauben das wirklich: „Nimm mir den Grund für mein Jmmern und Nörgeln, und ich höre sofort damit auf.“
Die wahre Kraft hinter den sogenannten Jammerlappen
Wer jammert, muss nur mit einem leicht beschädigten Image leben, denn Jammerlappen gelten als schwach. Richtig guten Jammerlappen macht das nichts aus, weil sie auch darüber nach Herzenslust jammern können. Werden wir praktisch. Typische Jammer-Phrasen sind: Ich kann nichts, mir gelingt nichts, ich bin nicht hübsch, niemand liebt mich, ich habe immer Pech. Das ist doch mal so richtig selbstreflektiert! Eine Ich-Konversation wie aus dem Lehrbuch, kein „Du“, kein Vorwurf, die reine Lehre der gewaltfreien Kommunikation.
Was mit bei unserem Partner damit anrichten
Es wäre ja schon schlimm genug, dass sich Nörgler und Jammerlappen zu allererst selbst im Weg stehen. Geradezu fatal ist aber, was wir bei unserem Partner damit anrichten. Wir reden hier schließlich von Kampfmitteln. Nörgeln nervt und zermürbt. Jammern wirkt subtiler. Ständig jammernde Partner erscheinen auf Dauer schwach und unzuverlässig. Sie sind nicht der Fels in der Brandung, der uns Halt gibt. Jammerlappen bieten keine Sicherheit. Und egal, ob Mann oder Frau – die allermeisten von uns sehnen sich nach Sicherheit.
Wer unter dem Dauerfeuer eines Profi-Nörglers steht, wird sich früher oder später die Frage stellen, ob er den richtigen Partner hat. Wer mit einem Jammerlappen zusammenlebt, hat es kein bisschen leichter. Im Gegenteil: Wenn unser Partner ständig darüber klagt, wie ungerecht die Welt ist, wie wenig er geliebt wird und was er alles nicht kann oder ist, stellt sich irgendwann nicht nur die Frage, ob wir den falschen Partner haben. Vielmehr fragen wir uns: Wo ist der großartige Mensch, in den ich mich verliebt habe? Wie konnte ich mich nur so täuschen? Für das Vertrauen in unsere eigene Wahrnehmung sind solche Fragen gar nicht gut. Für unsere Beziehung auch nicht.